04.2019 Sigrid Tinz im Gespräch mit Dr. Axel-Jürg Potempa, dem Autor von „Was hat Sie denn da geritten?“.

Sexualität wird optimalerweise rauschartig erlebt, aber ich appelliere trotzdem immer wieder daran, den klaren Menschenverstand nicht ganz auszuschalten.

Erotik-Couch: Lieber Herr Potempa, in Ihrem eigentlichen Leben sind Sie kein Schriftsteller, sondern Arzt. Urologe, Sexualmediziner. Sie selber nennen sich Partnerschaftsmediziner und legen darauf auch viel Wert. Warum?

Dr. Axel-Jürg Potempa: Sexualität findet meiner Meinung nach vorwiegend innerhalb einer Partnerschaft statt. Wenn also eine Patientin oder ein Patient mit einer speziellen Fragestellung in meine Praxis kommt, will sie bzw. er dies in den häufigsten Fällen erst einmal mit mir alleine besprechen. Anschließend rege ich aber das Hinzuziehen der Partnerin bzw. des Partners an, um eine gemeinschaftliche Lösung des Problems zu entwickeln. Dazu ist es wichtig, beide Blickwinkel innerhalb der Partnerschaft kennen zu lernen.

Erotik-Couch: Wahrscheinlich werden Sie das auf jeder Party aufs Neue gefragt, aber auch uns interessiert es natürlich: Warum wird man überhaupt Sexualmediziner und beschäftigt sich den ganzen Tag mit mehr oder weniger peinlichen Problemen, die andere Leute unter der Gürtellinie haben? Und dann auch noch so öffentlich und publikumswirksam wie Sie…. Sind Sie einfach so offen und unverklemmt oder lernt man das mit der Zeit?

Dr. Axel-Jürg Potempa: Mein Vater war Urologe und mein Bruder ist es auch, deshalb bin ich sehr ungezwungen aufgewachsen. Körperliche und seelische Fragestellungen wurden immer sehr schnell offen angesprochen und dadurch auch zeitnah und meistens nachhaltig beantwortet. Ich selbst habe mich nach Jahren in der Gynäkologie und Chirurgie letztendlich doch auch für die Urologie und Sexualmedizin entschieden. Tabuthemen, wie sie in der Sexualität immer noch viel zu sehr vorherrschen, sind für mich ein besonderer Anziehungspunkt und in dieser Fachrichtung werden sie am offensten angesprochen und gemeistert. Daher werden mir auf den von Ihnen angesprochenen Parties meine offenen Antworten auf so manche verschämt gestellten Fragen dankbar verziehen. Wenn erst einmal eine bestimmte verbale Schranke durchbrochen wurde, lässt es sich einfach ehrlicher und unkomplizierter diskutieren. Diese Rolle des Eisbrechers übernehme ich gerne. Und für meine tägliche Arbeit in der Praxis ist diese Einstellung natürlich elementar. Nur so kann ein echtes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient entstehen.

Erotik-Couch: Sie schreiben zum Beispiel von einem jungen Mann, der sich in Ermangelung eines echten Penisrings eine Metallschelle aus seinem Handwerkskoffer über das beste Stück gezogen hat; und es nun nicht mehr abbekommt. Denken Sie in diesen Situationen ausschließlich als Arzt, der schnell handeln und helfen muss? Oder auch gleich so was wie „Klasse, wenn das hier gut ausgeht, dann ist es Stoff fürs Buch!“

Dr. Axel-Jürg Potempa: Wenn eine Patientin oder ein Patient in meine Praxis kommt, steht absolut immer die Lösung seines medizinischen Problems im Vordergrund. Es findet weder eine Wertung noch eine Abspeicherung für mein nächstes Buch statt. Als Arzt sehe ich nur die ganz individuelle Aufgabe, meiner Patientin oder meinem Patienten hier und jetzt zu helfen.  Wenn es dann Überlegungen gibt, wie die zum Buchprojekt, versuche ich aus meinen Praxiserlebnissen die außergewöhnlichsten herauszufiltern. Das findet aber erst sehr viel später statt. Tatsächlich habe ich mich schon manchmal darüber geärgert, nicht schon zeitnah über eine spätere Verarbeitung nachgedacht zu  haben, um mir die anschließende Recherchearbeit in meinen Unterlagen zu ersparen.

Erotik-Couch: Sie schreiben äußerst unterhaltsam, gleichzeitig aber auch so wohlwollend, sachlich, empathisch und wertschätzend, wie man als Patient sich einen Arzt nur wünschen kann. Trotzdem: Als Ihr Patient muss man damit rechnen, im nächsten Buch oder Vortrag vorzukommen. Verfremden Sie das so, dass sich keiner wieder erkennt oder ist es mit den Betroffenen jeweils abgestimmt?

Dr. Axel-Jürg Potempa: Natürlich schütze ich die Identitäten meiner Patientinnen und Patienten. Ich habe nur Erlebnisse aufgeschrieben, die sie zur anonymisierten Veröffentlichung freigegeben haben. Nur so kann ich meine Integrität als Arzt bewahren. Einige besonders spannende Fälle musste ich deshalb unerzählt lassen. Aber es geht auch andersherum: erst kürzlich kam eine Patientin aus dem Buch wieder in meine Praxis. Sie hatte das Buch ihrem neuen Partner geschenkt, der als Rätsel herausfinden sollte, in welcher Geschichte sie vorkam. Es soll eine aufregende Nacht geworden sein.

Erotik-Couch: Den erwähnten Handwerker-Penis konnten Sie aus seinem Metallgefängnis befreien, bevor es zu Gewebeschäden kommen konnte – aber in Ihrem echten Ärzteleben, geht es da auch immer so gut aus mit den Sex-Unfällen wie im Buch?

Dr. Axel-Jürg Potempa: Die in meinem Buch beschriebenen Fälle sind alle real passiert. Aber es stimmt, im Buch gebe ich den Anamnesen mit einem Happy End den Vorzug. Es gibt und gab auch genügend Sex-Unfälle, die kein gutes Ende nahmen, weil sich die Beteiligten entweder zu spät bei mir gemeldet haben oder sie Praktiken ausprobiert haben, deren ungesunden Ausgang auch ich als erfahrener Facharzt nicht mehr reparieren oder ungeschehen machen konnte.

Erotik-Couch: Und aus Ihrer langjährigen Erfahrung: Gibt es ein paar Grundregeln, die man als sexuell aufgeschlossener Mensch beherzigen sollte, damit Experimentierlust nicht in Krankheiten und Verletzungen enden?

Dr. Axel-Jürg Potempa: Sexualität wird optimalerweise rauschartig erlebt, aber ich appelliere trotzdem immer wieder daran, den klaren Menschenverstand nicht ganz auszuschalten. Anhaltende Schmerzen und Verletzungen habe in der Sexualität nicht zu suchen und können eine zukünftige phantasievolle Intimität für immer zerstören. Auch in einer sexuellen Partnerschaft haben der Respekt und die Wertschätzung vor der oder dem Anderen oberste Priorität. Von neuen experimentellen Praktiken, die man vielleicht erst einmal alleine ausprobieren möchte, rate ich dringend ab. Vielmehr empfehle ich diese neuen Gedanken zusammen mit einem Partner oder einer Partnerin zu entwickeln, da so einerseits das Gefahrenpotential für ein unüberlegtes gesundheitliches Risiko sinkt, anderseits aber die Möglichkeit eines neuen unvergesslichen gemeinsamen sexuellen Erlebens mit Happy End deutlich ansteigt.

Das Interview führte Sigrid Tinz im April 2019.
Fotos © Dr. Axel-Jürg Potempa

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